Japanische Drachen und ihre Bedeutung – Warum du in Japan häufig auf Drachen treffen wirst
Wenn du an einen Drachen denkst, wie sieht er aus? Vielleicht hat er vier Beine und zwei Flügel, ist eher echsenartig und hat farbige, zumeist grün oder grünblaue Schuppen. Vielleicht haust er in einer Höhle und speit Feuer. So ist zumindest das europäische Bild eines klassischen Drachens, wobei sich auch das von Land zu Land unterscheidet. Andere Kulturen stellen ihre Drachen sogar eher schlangenartig dar. So ist es auch in Asien und insbesondere in Japan. Japanische Drachen unterscheiden sich maßgeblich von den Drachen, die wir hierzulande kennen.
Wie genau und welche Bedeutung japanische Drachen haben, verrate ich dir in diesem Artikel.
Drache als Wasserspeier am Kiyomizu-dera in Kyōto
Japanische Drachen
Japanische Drachen ähneln in ihrer Darstellung meist den chinesischen Drachen. Entweder sie werden nur mit zwei Beinen dargestellt, oder ihre Hinterbeine befinden sich sehr weit hinten an ihrem langen Körper. Darüber hinaus haben japanische Drachen meist nur drei Zehen als die, ihrer chinesischen und koreanischen Verwandten.
Ryū (竜) ist das japanische Wort für Drache und bezeichnet alle Drachenarten im japanischen Raum. Doragon (ドラゴン, von englisch dragon) hingegen wird verwendet, um einen westlichen Drachen zu beschreiben. Ganz schön raffiniert, oder?
Drachen werden in Japan außerdem dem Element Wasser zugeordnet und können sich, obwohl sie keine Flügel haben, sowohl auf dem Land, im Wasser und im Himmel aufhalten und auch fortbewegen.
Drache als Wasserspeier am Kiyomizu-dera in Kyōto
Japanische Drachen in der Mythologie
Drachen kamen über den Buddhismus von China nach Japan, die ihn wiederum von den Indern übernommen haben. Dort waren Drachen eher schlangenartige Wesen (naga, Schlange), weshalb sich auch die japanische Vorstellung daran anlehnt. Das hatte sogar Einfluss auf die Übersetzungen verschiedener Schriften. War in Sanskrit-Texten (meist bezogen auf Texte zum Hinduismus) beispielsweise von einer Schlange die Rede, so übersetzte man dies mit „Drache“.
Während Drachen bei uns zumeist Feuer speien und uns feindlich gesonnen sind, unterscheidet man in der japanischen Mythologie zwischen guten und bösen Drachen. Angeblich speien die bösen Drachen ebenfalls Feuer und ernähren sich von Gold.
Prinzipiell wird der Drache in Japan allerdings verehrt und als kami-juu (神獣, Heiliges Tier) angesehen.
Japanische Drachen in Legenden
Drachen tauchen bereits in den beiden ältesten japanischen Schriften, dem Kojiki (古事記, 712 n. Chr.) und dem Shoku Nihongi (続日本紀, 720 n. Chr.) auf.So zum Beispiel Yamata no Orochi (ヤマタノオロチ, achtgabelige Riesenschlange), ein Drache bzw. Schlange mit acht Köpfen, die von Susanoo (素戔嗚尊), dem Gott des Windes, durch eine List betrunken gemacht wird, sodass er sie dann letztendlich erschlagen kann.
Oder Watatsumi (綿津見, oder auch 海神), der Gott des Meeres. Er ist auch unter dem Namen Ryūjin (龍神, „Drachengott“) bekannt und erscheint entweder als japanischer Drache oder in Gestalt eines Menschen.
Watatsumi soll in seinem Palast Ryūgū-jō (竜宮城, 龍宮城, „Palast des Drachenkönigs“) aus roten und weißen Korallen leben und kontrolliert Ebbe und Flut.
Seine Tochter ist die Göttin Otohime (乙姫), die später den Prinzen Hoori (Hoori no Mikoto bzw. Hikohohodemi no Mikoto, 火折尊, 火遠理命, Sohn des Sohn des Ninigi no Mikoto) heiratet und deren Enkel Jimmu (神武天皇) später der erste Kaiser Japans wurde.
Um diese Charaktere ranken sich eine Menge Mythen und Legenden, die alle sehr faszinierend sind, an dieser Stelle jedoch zu weit führen würden.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, lohnt sich ein Blick in die ältesten japanischen Schriften, wie dem Kojiki Werbelink oder dem Nihon Shoki bzw. Nihongi Werbelink.
Das kojiki (古事記, „Aufzeichnung alter Geschehnisse“) beinhaltet die Frühgeschichte und Mythologie Japans und erzählt vom mythischen Zeitalter der Götter ist zur Zeit der Kaiserin Suiko.
Das shoku nihongi (続日本紀, „Fortsetzung des Nihongi“ oder „Fortgesetzte Chronik Japans“), kurz shokki (続紀), wiederum ist ein Geschichtsbuch der frühen Heian-Zeit, welches vom japanischen Kaiserhaus in Auftrag gegeben wurde. Es ist, nach dem Nihongi (nihonshoki, 日本書紀, dt. „Chronik Japans in einzelnen Schriften“ bzw. nihongi,日本紀, „Chronik Japans“), das zweite der „Sechs Reichsannalen“ (rikkokushi, 六国史).
Japanische Drachen in der heutigen Zeit
Heute findest du japanische Drachen häufig in religiösem oder kulturellen Kontext.
Drachenfiguren sind häufig als architektonisches Element, bspw. als Schnitzereien, an Tempeln oder Schreinen zu finden. Auch an Brunnen sind sie häufig als Figur anzutreffen – was als Wesen, welches dem Element Wasser zugeordnet ist, zugegebenermaßen auch nicht ganz abwegig ist.
Darüber hinaus findet sich das Zeichen ryū (龍) für Drache auch häufig im Namen buddhistischer Tempel.
Manchmal tauchen sie dort auch als Deckengemälde auf. Oder sie treten gar nicht erst in Erscheinung, wie beispielsweise in bzw. auf Enoshima.
Der Bahnhof von Enoshima wurde in Anspielung auf den Drachenpalast des Meeres, also den bereits erwähnten Ryūgū-jō entworfen. Und auch der Enoshima-jinja, also der Schrein der Halbinsel, leitet sich von der Drachensage her.
Das Torgebäude des Schreins heißt zuishinmon (随神門, „dem Willen der Götter folgendes Tor“) und ist ein sogenanntes Drachenpalast-Tor (ryūgū-mon). Es zeichnet sich durch ein verputztes Mauerwerk aus, was für die traditionelle Tempel- und Schreinbauweise eigentlich unüblich ist. Darüber hinaus sind die Mauern unter dem Dachansatz abgerundet. Diese Gebäude treten erst ab der Edo-Zeit auf und sind angeblich vom Baustil der Ming-Zeit Chinas beeinflusst.
Aber auch in Büchern, Filmen und Videospielen tauchen japanische Drachen häufiger auf – insbesondere in japanischen natürlich. Die hierzulande bekanntesten popkulturellen Drachen sind wohl Shenlong aus Dragonball (wobei die Geschichte auf eine chinesische Sage zurückgeht und Shenlong eher ein chinesischer Drache ist) und Haku aus Chihiros Reise ins Zauberland.
Übrigens: Das Zeichen ryū (龍) findet sich auch im Wort für Dinosaurier (恐竜, kyōryū), was so viel wie „furchtbarer Drache“ bedeutet.
Das Torgebäude des Schreins auf Enoshima
Der Bahnhof von Enoshima
Japanische Drachen und das japanische Kaiserhaus
Drachen sind außerdem auch Symbole kaiserlicher Herrschaft – sowohl in China als auch in Japan. In Japan wurde der Kaiser (Tennō, 天皇, dt. „Himmlischer Herrscher“) lange als Nachkomme der Sonnengöttin Amaterasu (天照) angesehen, die die wichtigste Gottheit (kami, 神) des Shintō ist.
Doch was hat das jetzt mit Drachen zu tun?
Nun, angeblich ist auch Watatsumi, der Drachengott, Teil des kaiserlichen Stammbaums.
Amaterasu soll einst ihren Sohn dazu bestimmt haben, auf die Erde hinazusteigen und über sie zu herrschen. Doch der sag, wie viel Chaos auf der Welt herrschte und weigerte sich. Anstatt seiner, schickte er seinen Sohn Ninigi (瓊瓊杵尊, 邇邇芸命, Ninigi no Mikoto). Der stieg hinab und verliebt sich prompt in eine Frau, zog aber den Zorn ihres Vaters auf sich. Jener verfluchte die Nachkommen Ninigis dazu, menschlich zu sein, weshalb seine Nachkommen zwar göttlicher Abstammung, aber menschlichen Fleisches waren.
Und auch Jimmu (神武天皇), der erste Kaiser Japans, soll ein Nachkomme von Watatsumi sein.
Egal ob als architektonisches Element, in der Politik, der Religion, oder in der heutigen Popkultur: Drachen sind in Japan präsenter als man es sich zunächst vorstellen mag. Bist du in Japan schon auf Drachen gestoßen? Wenn ja, lass es mich gerne in den Kommentaren wissen. ;)